Wir erschaffen Kreativität

… wenn wir unsere Angst besiegen.

“Du hast Schätze in Dir, ganz besondere Schätze. Diese Schätze ans Licht zu holen macht Arbeit, braucht Vertrauen und Fokus, Mut und Stunden der Hingabe. Die Uhr tickt und die Welt dreht sich und wir haben einfach keine Zeit, zu klein zu denken.” 

Elizabeth Gilbert, Schriftstellerin “Eat, Pray, Love” 

“Ich bin nicht kreativ.” sagen Menschen, wenn sie sehen, dass ich male. Dabei haben sie sich gestern ein Abendbrot überlegt, den kaputten Rock der Tochter mit Gaffa repariert und waren pünktlich im Meeting, obwohl die ganze Stadt ein einziger Stau war. 

Wir alle sind kreativ! Ob ihr es nun zugeben wollt oder nicht. 

Wir Menschen finden immer irgendwelche Lösungen, sonst wäre unsere Spezies schon längst ausgestorben. Wir nähen Corona-Masken, bauen Plastikwände in Cafés um Aerosole am Fliegen zu hindern, wir haben den Staubsauger, Solarstrom und den Pizza-Burger erfunden. 

Die meisten von uns haben allerdings Angst davor, kreativ zu sein. Denn wenn ich offen sage: “Ich bin kreativ” und dann mache ich etwas, das nicht besonders kreativ ist, kann man mir vorwerfen, dass das ja nicht besonders kreativ war. Es ist immer die Angst vorm Scheitern, die Angst abgelehnt zu werden, die uns abhält zu tun, was wir wollen. In der Liebe, im Job und im Denken. Selbst wenn wir allein mit unseren Gedanken sind, schaffen wir es noch Angst davor zu haben, etwas falsch zu machen.

Deswegen gilt es immer wieder zu betonen, man sei ja gar nicht kreativ. Damit macht man sich weniger angreifbar. “Ich hab doch gesagt, ich bin nicht kreativ!” Das baut allerdings Anti-Kreativitäts-Autobahnen in unser Gehirn. Wie wir selbst unsere Gehirn-Autobahnen bauen, steht hier. 

Kreativität und Wahrnehmung, kreativ sein

Zu sagen, man sei nicht kreativ bringt uns aber nicht weiter. Die Welt fliegt uns demnächst um die Ohren, wenn wir nichts ändern. Deswegen sollten wir bitte jetzt alle maximal kreativ sein. Und jetzt kommt mir nicht mit “Ich kann das nicht.” Klar, jeder und jede kann das. 

Complaining about a problem without posing a solution is called whining

Theodore Roosevelt

Jeder und jede von uns kann etwas ganz besonders gut, wir alle haben etwas, das uns begeistert, etwas, das uns richtig anmacht. Wenn wir aber so tun, als hätten wir das nicht, verschwenden wir nicht nur unser eigenes Leben, sondern verweigern auch noch den Menschen unsere Hilfe, die genau das brauchen, was wir können. 

Und damit meine ich nicht, dass es nur diese eine Sache für uns gibt und wenn wir sie nicht finden, haben wir unser Leben verkackt. Das ist die Weltsicht: FINDE Deine Berufung. Ich meine aber: ERSCHAFFE Deine Berufung. Ja, das ist Arbeit, Mühsal, manchmal Niederlage und Schmerz, oft Angst und Freude, meistens Begeisterung und immer Liebe. 

Die Suche lohnt sich. Es gibt nichts Besseres, als zu lieben, was man tut. 

Ich

Der Weg dahin ist auch noch wesentlich einfacher, als die meisten denken. Ja, man kann auf der Suche zu sich selbst Alkoholiker werden, auf Weltreise gehen, so arm sein, dass man sich nur Ja!-Toast leisten kann (ich meine, ausschließlich) und im Winter nicht heizen, weil arme Poeten eben frieren müssen. 

Ihr könnt Euch aber auch einfach ein bißchen Zeit jeden Tag nehmen und euch immer mal wieder fragen: 

  • Was macht mir am meisten Spaß?
  • Wobei komme ich in den Flow?
  • Wie könnte ich damit Geld verdienen? 
  • Wie will ich arbeiten (im Team, alleine, auf Bali?)
  • Wie sollen die Menschen sein, mit denen ich arbeiten will?
  • Was müsste man mal erfinden? 
  • Welche Probleme würde ich gerne lösen und wie? 
  • Wie kann ich die Welt schöner/besser machen? 
  • Was sind meine Werte, nach denen ich leben will? 
  • Was müsste ich jeden Tag tun, um das zu tun, was ich wirklich will? 

Schreibt die Antworten in euer Tagebuch, malt ein Bild, klebt ein Foto rein.

Meine Inspirationen sind alle recht pragmatisch. Der US amerikanische Blogger und Bestsellerautor Mark Manson macht es etwas dramatischer: 

“What are you willing to suffer for?” 

Mark Manson

Darauf habt ihr wahrscheinlich nicht direkt eine Antwort. Mir fiel dieses Zitat mal ein, als ich mit einer riesigen Leinwand vom Baumarkt nach Hause gelaufen bin. Es regnete leicht und ich hatte Gegenwind. Die Leinwand wirkte wie ein Segel und zog mich in die Richtung zurück, aus der ich kam. Mir war kalt, die Leinwand rutschte aus meinen nassen Händen und ich sah aus wie ein Idiot. Aber ich wollte an diesem Abend ein riesiges Bild malen, so: I suffered. 

Welches Ziel ist groß genug und was wollt ihr dringend genug erreichen, dass ihr dafür leiden würdet? Mit dieser Frage im Kopf könnt ihr ja mal in den Baumarkt gehen und gucken, ob euch eine Antwort kommt. Ich bin jedoch ziemlich sicher, dass die Antwort nicht ist: damit mein Chef erfolgreich wird oder mein Großkonzern noch mehr Gewinne macht. 

In meinem Podcast “Kopf über Herz – der wissenschaftliche Beziehungsratgeber” spreche ich unter anderem mit dem Neurowissenschaftler, Science Slammer und Buchautor Henning Beck über Kreativität. 

Er sagt, dass wir selbst jeden Tag etwas für unsere Kreativität tun können. Neue Wege gehen, neue Leute treffen, neue Ort sehen, neue Rezepte kochen, neue Gedanken denken, Dinge tun, die wir eigentlich nicht tun würden. Stadtmenschen sind kreativer als Landmenschen, weil sie mehr Input haben. Weil sie viele verschiedene Menschen sehen, Lebensentwürfe und Frisuren. 

Kreativität ist eigentlich etwas, womit wir geboren wurden, wir haben es nur verlernt. Durch Denkmuster, Rituale und immer wieder die gleichen Abläufe in unserem Leben. Wir haben uns unsere ureigene Kreativität genommen, indem wir jeden Tag den Vortag wiederholen.

Aber: wir können Kreativität wieder lernen und trainieren, wie alles andere auch: Volleyball, Französisch oder eine japanische Teezeremonie durchführen. Wenn wir es lernen wollen, werden wir es lernen. 

Hier in Deutschland gibt es aber noch den Mythos vom geborenen Genie. Hier glauben die meisten, wenn man Talent hat, wird man Goethe. In den USA belegt man creative writing Kurse und lernt zu schreiben wie Stephen King. Jeder wie er will. 

Nur dass uns das deutsche Modell leider daran hindert, selbst kreativ tätig zu werden. Oder – was noch viel schlimmer ist – uns sogar daran hindert zu denken, wir wären überhaupt dazu fähig, kreativ zu denken. 

Wir sind eben einfach nicht Goethe, denken wir dann. “Ach schade, ich habe leider kein Kreativitäts-Ticket bekommen. Ich bin jetzt dazu verdammt für immer Dinge zu tun, die mich langweilen. Ich kann nichts dafür.” Mit dieser Autobahn im Kopf laufen wir dann durch die Welt. 

Und warum? Wahrscheinlich, weil mal jemand zu uns gesagt hat, dass wir nicht malen können, nicht gut basteln, dass wir keine Ideen haben oder wirklich kein Talent für das Instrument besitzen, das unsere Eltern uns zwingen zu lernen.  

Oder wir selbst haben gesehen, dass jemand anders fotorealistisch zeichnen kann und festgestellt, dass unser Bild dagegen aussieht, als wären wir 3. Dabei waren wir schon 5. 

All das ist nicht der Punkt bei Kreativität. Der Punkt ist, es zu tun, egal wie. Design-Legende David Kelley hat sich geschworen, wenn er seinen Krebs besiegt und überlebt, will er alles dafür tun, um Menschen dazu zu inspirieren, ihr kreatives Selbstbewusstsein zurück zu bekommen.

Wir sind alle kreativ. Alles, was wir tun müssen, ist: anders denken, mutig sein und es einfach tun. So wie Elizabeth Gilbert gesagt hat: wir haben keine Zeit dafür, klein zu denken. 

Sobald ihr beginnt, zu denken, ihr seid kreativ, werdet ihr kreativ sein. Wenn ihr euch eine Pasta Sauce, eine Mottoparty und eine gute Ausrede einfallen lassen könnt, könnt ihr auch eine Tätigkeit finden, die euch erfüllt. 

“Happiness is found in doing, not merely possessing.” 

Napoleon Hill, Think and grow rich

Das menschliche Gehirn ist dafür da, Lösungen für Probleme zu finden. Wir alle wollen etwas tun. Nach ein paar Wochen Hängematte und Cocktail würden wir irgendwann selbst anfangen Hängematten und Cocktails herzustellen, einfach um irgendwas zu tun. 

Wenn wir unser Gehirn allerdings nicht dazu benutzen, cooles Zeug zu erfinden oder zu erschaffen, dann wird es Probleme für Lösungen suchen und nicht umgekehrt.

Ich kann das nicht machen, weil XY. Das geht nicht, weil blablabla. Dann fangen wir plötzlich an, uns in dumme Situationen zu manövrieren, Dramen zu kreieren, wir zetteln dann Streit an oder halten uns ewig damit auf, warum der wieder nicht das oder sie wieder nicht jenes getan hat. 

“Wir müssen endlich anfangen, uns selbst ernst zu nehmen.” hat die Politologin Petra Bock gesagt. Und genau darauf will ich hinaus: nehmt eure Kreativität ernst, nehmt EUCH ernst, eure Fähigkeiten, eure Träume und Ideen. Die Ideen, die ihr habt, kommen nicht einfach so zu Euch. Die wollen geboren werden, sagt Elizabeth Gilbert:

“Kreativität heißt einfach, Dinge miteinander zu verbinden. Wenn Sie kreative Menschen fragen, wie sie etwas zustande gebracht haben, dann schämen sie sich oft ein bißchen, weil sie es im Grunde nicht selbst gemacht haben. Sie haben nur etwas erkannt. Nach einer Weile erschien es ihnen offensichtlich – sie waren in der Lage, ihre Erfahrungen miteinander zu verbinden und etwas Neues daraus zu machen.” schreiben David Eagleman und Anthony Brandt in “Kreativität Wie unser Denken die Welt immer wieder neu erschafft.” 

Es ist UNSER Denken, das die Welt immer wieder neu erschafft. Nicht nur das Denken von ein paar auserwählten Genies. Sondern Dein Denken, mein Denken und das von Tante Erna. Und wenn wir nicht alle bald ernsthaft damit anfangen, könnte es zu spät sein. Hier meine Top 3 zum Thema Kreativität, wie immer: alle selbst gelesen und für gut befunden.   

Wie wir kreativ Geld verdienen, erfahrt Ihr hier.

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Diane Hielscher

Journalistin, Künstlerin, Autorin und Moderatorin