Selfcare rettet die Welt

Selfcare ist irgendwie Wellness und heißt, man soll heiß baden und sich ne Duftkerze anmachen. Nein. 

Zynische, unglückliche Menschen im Netz verunglimpfen Selfcare immer noch als überflüssige Wohlstandsbeschäftigung von Menschen, denen langweilig ist, weil sie keine echten Probleme haben. 

Selfcare ist aber der erste Schritt um die Welt zu retten. Ja, keine halben Sachen. 

Der Normalzustand ist – leider noch – die Selbstignoranz: Wir leben einfach so vor uns hin, ohne uns je zu fragen, was wir eigentlich wollen und brauchen. Wenn wir nicht wissen, was wir wollen und was wir brauchen, dann können wir auch nichts dafür tun, um es zu bekommen. Wir schleppen uns unmotiviert zu einer Arbeit, die uns so mittel interessiert und freuen uns eigentlich nur aufs Wochenende, den Urlaub und den jeweiligen Streamingdienst. Wir sind immer müde, weil es wahnsinnig kräftzehrend ist, ein Leben zu führen, das nur so mediocer geil ist. 

Wenn wir verliebt sind, wenn wir eine Idee haben, wenn wir richtig begeistert sind, dann haben wir Energie. Wir wollen nicht schlafen, wir vergessen das Essen und fühlen uns lebendig, energetisiert. Deswegen wollen sich alle immer unbedingt neu verlieben. Und deswegen beginnen Menschen Affären, um endlich wieder den Kick zu spüren, um sich wieder lebendig zu fühlen. Eine Affäre ist das Bungeespringen für Menschen mit Höhenangst. Heimlich in Hotelzimmer schleichen kribbelt im Gehirn und wir fühlen uns wach und fit und da! Das Gleiche gilt fürs shoppen, Drogen nehmen, Sex und Fast Food essen. Da ballert das Serotonin und das Dopamin nur so im Gehirn. 

Selfcare rettet die Welt und uns selbst

Das geht allerdings auch anders – wie, erfahrt ihr in meinem Podcast “Herz über Kopf – der wissenschaftliche Beziehungsratgeber.” 

Als ich frisch verliebt war habe ich immer und immer wieder den Satz gehört “Genieß es!” gefolgt von einem wehmütigen Seufzen. Denn dieses Gefühl geht irgendwann wieder und dann sind wir zurück im Alltag, essen Senfeier und freuen uns auf Freitag.  

Aber irgendwie wundern wir uns, dass wir unglücklich sind. Wir wissen nicht warum, also klar, Corona, Klimakrise, der Nachbar und der Job, naja, muß ja, hilft ja nix, geht schon, man schlägt sich so durch. Die anderen sind immer Schuld. Ich kann ja nichts dafür, dass mein Kollege/meine Frau/meine Chefin/die Bundeskanzlerin/der Pförtner nicht alles dafür tun, damit es MIR gut geht. Da kann man nichts machen. Doch.  

Selfcare. 

Denn selfcare bedeutet, sich zu fragen: Was zur Hölle tue ich hier eigentlich? Womit verbringe ich meine 28.000 Tage hier auf der Welt? Womit fülle ich sie? Mich beschweren, sagen, dass das nicht geht, Rückenbeschwerden haben und mich langweilen? Fühle ich mich wie im Gefängnis in meiner Ehe? Bin ich jeden Tag genervt von meinen Kollegen oder meiner Tätigkeit? Was begeistert mich eigentlich? 

Selfcare ist, dafür zu sorgen, lebendig zu sein. Ich meine nicht, Puls zu haben, sondern sich wirklich lebendig zu fühlen. Begeisterung zu spüren, Inspiration und Adrenalin. Jeden Tag zu wachsen, zu lernen und etwas beizutragen, Anderen zu helfen und mit ihnen zu kooperieren. 

Selfcare ist, sich selbst zu entfalten und aktiv dafür zu sorgen, die Welt besser zu machen. Nicht nur altruistische Pflegekräfte fühlen sich gut, wenn sie einen Mehrwert für andere Menschen schaffen, ganz egal, was es ist. Wir alle wollen helfen, wir alle wollen Teil einer Gemeinschaft sein. Es macht uns glücklich, wenn wir etwas tun, das andere weiter bringt. 

Helfen ist selfcare. Etwas beizutragen ist Lebensentfaltung.

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Und dabei meine ich nicht, dass wir jetzt alle Essen an Obdachlose ausgeben müssen. Helfen ist auch, wenn wir ein Produkt auf den Markt bringen, das Probleme löst (Es soll bald Nachfüllstationen für Waschmittel geben, dass wir da nicht früher drauf gekommen sind…tststs) Wir helfen Menschen, wenn wir ihnen etwas zeigen, das sie noch nicht konnten oder wussten. 

Helfen ist gutes Essen für Freunde zu kochen, Kontakte herzustellen, aus denen sich eine Zusammenarbeit entwickelt, auf die Kinder der Nachbarin aufzupassen und jemandem den Rechner zu konfigurieren. Dieser jemand schreibt darauf dann vielleicht eine Kurzgeschichte die wieder jemand anderen zu Tränen rührt. 

Aber wir haben nur die Kapazitäten, anderen wirklich und aus vollstem Herzen zu helfen, wenn es uns selbst gut geht. 

Wenn wir den dritten Bandscheibenvorfall haben, weil wir jeden Tag 12 Stunden vor einem Computer sitzen, anstatt zum Yoga zu gehen, können wir niemandem helfen. Wenn wir völlig erschöpft sind, weil wir in den zweiten Stock gelaufen sind, wenn wir unglücklich sind, schlecht gelaunt, launisch, pampig und unglücklich mit unserem Leben, dann können wir niemandem helfen. Offenbar ja nicht mal uns selbst. 

Deswegen ist Selfcare kein überflüssiger Luxus für verwöhnte Bewohner der westlichen Welt, sondern Grundvoraussetzung für konstruktives Handeln. 

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Wenn wir Sport machen, fit sind, uns selbst mögen, klar kommen und Bock aufs Leben haben, dann können wir die Welt aktiv gestalten und sind ihr nicht ausgeliefert. Dann lassen wir uns nicht von Menschen, den Umständen und den Launen Anderer rumschubsen. Dann sind wir diejenigen, die sich jeden Tag neu überlegen, was sie erfinden, bauen, malen, komponieren, kochen oder sticken wollen. Dann fragen wir uns: wen kann ich heute zum lachen bringen, inspirieren, mit wem kann ich Ideen weiterentwickeln und umsetzen? 

Nur so schaffen wir es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: indem wir uns um uns kümmern, jeden Tag. 

  • Selfcare heißt, nein zu sagen, wenn man etwas nicht will. Und nicht ja, weil man geliebt werden will. 
  • Selfcare heißt zu kündigen, wenn man seinen Job hasst
  • Selfcare heißt achtsam sein und wieder: schmecken, fühlen, hören und riechen
  • Selfcare heißt für seine Rechte einstehen und Grenzen setzen 
  • Selfcare heißt sich zu fragen: was ist mir wichtig? Was begeistert mich? Was macht mich richtig glücklich? Und dann alles dafür zu tun, mehr davon ins Leben zu bringen
  • Selfcare heißt schlafen, gut essen und sich bewegen
  • Selfcare sorgt dafür, dass ich ich mich gut fühle, auch wenn die Anderen Arschlöcher sind
  • Selfcare ist, Zeit mit der Familie zu haben 
  • Ja, verdammt, Selfcare ist meinetwegen auch ein heißes Bad und eine Duftkerze, wenn es das ist, was ihr braucht
  • Selfcare ist “Ich liebe Dich!” sagen, zu sich und zu anderen. 

Im Moment geistert ja die Körperneutralität durchs Netz und das schreckliche Zitat der eigenen Körper “solle einfach seinen verdammten Job machen”. Da läufts mir kalt den Rücken runter. Meine Freunde oder mein Partner sollen auch nicht „ihren verdammten Job machen“. Und ich will mit niemandem Zeit verbringen, der von mir verlangt, ich solle einfach meinen verdammten Job machen. Nicht mal im Job. 

Ich finde, ein Wunderwerk wie der menschliche Körper hat mehr als das verdient. 

Allein dass mein Herz schlägt finde ich so geil, dass ich aus der Hose springen könnte vor Freude, but that’s just me. (Und wenn wir dann auch noch über Atome anfangen nachzudenken und woraus die sind – also wir – alter Schwede!)

Wenn ihr euch selbst scheiße behandelt, werden es auch andere tun. Dann werdet ihr niemandem helfen können (wenn überhaupt, dann nur, um dafür gelobt und geliebt zu werden, weil ihr euch selbst nie lobt oder liebt). 

Behandelt euch wie Könige und Königinnen, sprecht mit euch, als wärt ihr euer bester Freund (ihr hört euch selbst ständig beim Denken zu, dann sollte man mal drüber nachdenken, was man so denkt, sonst wird das ganz übel enden) und gestaltet euer Leben, als hättet ihr immer nur das beste verdient – denn das habt ihr. 

Wem es so richtig gut geht, der wird Bäume pflanzen, das Energieproblem lösen, Mikroplastik aus dem Wasser filtern und sich sonst was ausdenken, damit wir es in Zukunft auch noch schön haben hier. 

Deswegen rettet Selfcare die Welt.

(Ja, ich gebe zu, Selfcare ist ein bescheuertes Wort und man muß dabei immer an die perfekten Insta-Mädchen denken, die keine Poren haben. Nennt es meinetwegen “Kartoffelsalat”. Hauptsache ihr kümmert euch um euch.)

Diese drei Bücher habe ich gelesen und kann sie deswegen empfehlen. Lesen bildet, muhahaha

Viel Spaß dabei: haut rein.

Wie Ihr euer leben durch Yoga verbessern könnt und was es mit der Praxis auf sich hat findet ihr hier.

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Diane Hielscher

Journalistin, Künstlerin, Autorin und Moderatorin