Ohne eigenen Sinn ergibt das alles hier keinen: Sinn! 

“Ausruhen ist so wichtig!” Schreit mein Instagram Feed. Es geht um guten Schlaf, Life-Work-Balance, darum, sich Ruhepausen zu gönnen. Menschen wollen weniger arbeiten oder am besten gar nicht. Aber ist das die Lösung? Und die Lösung wofür überhaupt? Gegen Burnout, Depression, Unglück, Langeweile? Was genau wollen wir eigentlich, was ist unser Ziel? Wo wollen wir hin?

Der Therapeut Klaus Bernhardt, die Psychologin Main Huong Nguyen und viele andere Experten und Expertinnen haben mir immer wieder gesagt, dass ihre Patientinnen und Patienten zwar wissen, was sie NICHT wollen. Aber sie wissen nicht, was sie stattdessen wollen.  Hier und hier findet ihr die Gespräche zu all diesen Themen.

Hat dein Leben einen Sinn? Wie findest du diesen und was bedeutet es überhaupt einen Sinn zu haben?

Nach vier Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Gehirn, unseren Gefühlen, Gedanken und Handlungen, habe ich die Theorie, dass Ausruhen und Nicht-Arbeiten auch keine Lösungen sind. 

Es geht uns nicht gut, wenn wir nichts tun. Das können wir regelmäßig bei Studien über Langzeitarbeitslosigkeit sehen: “Große Metaanalysen und systematische Reviews zeigen, dass Langzeitarbeitslose ein mindestens verdoppeltes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depression und Angststörungen, haben gegenüber erwerbstätigen Personen.” 

Unser Gehirn möchte Geballer haben, es will, dass da oben was los ist. Unser Gehirn will Dopamin. Das heißt, wir wollen Aufregung und Belohnung.  Der Neurotransmitter Dopamin ist  der Hauptüberträgerstoff im Emotionszentrum, in unserem limbischen System. Das limbische System ist quasi die Schaltzentrale für unsere Gefühle im Gehirn. 

Über die Chemie in unserem Kopf habe ich für meinen Podcast “Kopf über Herz” bei Audible mit Stefan Oswald gesprochen, er ist Pharmakologe und Experte für Bioanalytik am Institut für Pharmakologie an der Uni Greifswald. 

Er sagt: “Dopamin ist für jede Form des angenehmen Gefühls zuständig, bis hin zur Sucht. Dopamin spricht unseren Antrieb und unser Wohlgefühl an. Alles was wir uns zuführen, was uns Spaß macht, hat dort im limbischen System, mit dem Überträger Dopamin, ein bestimmtes Feedback. Dopamin ist ein mächtiges Instrument, was die Evolution uns da gegeben hat. Einerseits, um uns was Gutes zu tun, aber deswegen ist es andererseits auch unglaublich schwer, von diesen Süchten weg zu kommen.”  Wir sind also biochemisch darauf angelegt, süchtig zu werden. 

Aber wir können – ihr ahnt es – selbst alles Mögliche tun, damit das Dopamin kickt. Sport, Erfolge feiern, tolle Gespräche führen, einen schönen Abend mit Freunden, etwas neues lernen, etwas schaffen und erreichen, etwas ERschaffen, bauen, basteln, nähen, stricken, malen, aufarbeiten. All das lässt unser Dopamin einschießen. Ausruhen, rumliegen und Nichtstun nicht. 

Das heißt, wir könnten einfach arbeiten, damit Dopamin einschießt. Wir können Erfolge jagen: Bachelor, Master, Ausbildung, Abendschule, Karriere, Beförderung. Dann haben wir so viel Dopamin, dass es noch für den Nachbarn reicht. Aber auch das ist nicht genug für ein gutes Leben. 

Eine britische Psychologin schreibt im Onlinemagazin The Conversation, dass Lebenszufriedenheit möglicherweise damit zusammenhängt, warum wir arbeiten. Arbeit kann sich zum Beispiel dann positiv auswirken, wenn wir durch sie Sinn und Bestätigung empfinden. Sinn fällt allerdings nicht vom Himmel, wir müssen ihn auch nicht unter einem Stein finden – wir können ihn selbst erschaffen. 

Der erste Schritt zu eurem eigenen Sinn ist Achtsamkeit. Nur wenn wir uns selbst mal zuhören, können wir auch Antworten finden. Werdet still, meditiert, geht in euch, weckt eure Intuition, hört auf eure innere Stimme, schweigt, atmet. 

Und fragt euch: was bringt mein Herz zum jubeln? Wobei fühle ich Schmetterlinge im Bauch? Was könnte ich den ganzen Tag voll Freude machen? 

Womit kann ich Geld verdienen? Wie kann ich die Welt besser machen? Was kann ich beitragen? Was kann ich Sinnvolles in einem, zwei oder fünf Jahren tun? 

All diese Antworten sind euer Arbeitsmaterial. 

Sie bedeuten aber nicht, dass ihr sofort kündigen und ein Waisenhaus in Somalia bauen oder eigenhändig 140 Millionen Tonnen Müll aus dem Meer holen müsst. Die Antworten können aber Grundlage sein für alles weitere, was ihr ab heute mit eurem Leben macht. 

Wenn ihr helfen wollt, fragt euch: wie kann ich da, wo ich gerade bin, helfen? Wem? Und wie? Wenn ihr Freude in die Welt bringen wollt, habt ihr jeden Tag die Möglichkeit dazu – einfach so! Per TikTok, Facebook, im Supermarkt, in der Uni und mit euren Kindern. Wir können jeden Sinn, den wir haben wollen 

  1. erkennen
  2. erschaffen und 
  3. leben

Wir erschaffen uns meist keinen Sinn im Leben, weil wir so beschäftigt damit sind, Dinge zu tun, die für uns keinen Sinn ergeben. 

Diane Hielscher

Wir Menschen leben in Paradoxien. 

Macht doch mal eine Liste – zunächst abends – von Dingen die ihr heute getan habt, die in Übereinstimmung mit eurem Sinn und euren Werten stehen und welche nicht, was kann bleiben und was kann weg? 

Wenn wir jeden Tag 10 Minuten mit uns selbst verbringen und uns fragen, wie wir leben wollen, was wichtig für uns ist und wie wir unsere Tage verbringen wollen, werden wir auf diese Weise jeden Tag ein bißchen mehr das Leben führen, das wir wirklich führen wollen. Wir werden mehr Energie und Kraft haben, weil sich das ganze Leben immer kohärenter, immer besser passend anfühlt. 

In einer zu engen, zu großen oder unförmigen Hose wollen wir auch nicht den ganzen Tag rumlaufen. Warum machen wir es uns aber in unpassenden Leben allzu lange gemütlich? 

Weil wir Angst haben, ich weiß. Aber die Angst ist nur virtuell. Denn was genau kann beim oben beschrieben Vorgang schon passieren? Beim Tagebuch schreiben, meditieren und bei der Selbstreflexion hat sich noch niemand den Arm gebrochen oder ist vom Krokodil gegessen worden. Soweit ich weiß. 

Über Meditation und Yoga gegen Angst habe ich hier und hier schon geschrieben. 

Trotzdem zeigen Studien, dass viele Menschen für ihr Lebensglück eher auf Spaß in der Freizeit setzen. Laut der britischen Psychologin aus dem Onlinemagazin The Conversation gibt es aber auch noch eine dritte Art nach Lebensglück zu streben, nämlich zu experimentieren und sich auch in der Freizeit immer wieder unterschiedliche Ziele zu setzen und viele verschiedene Erfahrungen zu machen.

Wir müssen unser Dopamin gar nicht während der Arbeitszeit herstellen. Wir können uns genauso gut in unserer Freizeit weiter entwickeln und einen Sinn finden. Und wie viele Menschen das zum Beispiel mit einem Teilzeit-Business machen, habe ich in diesem Buch gelernt: 

Sich selbst als sinnvoll zu erleben, etwas beizutragen und nach den eigenen Werten zu leben macht glücklich und hält gesund. 

Welche Werte das sind und welcher Sinn, bleibt uns allein überlassen. Ist das nicht herrlich!? Wir können uns überlegen, ob es sinnvoll ist schmackhafte Cocktails in einer Bar in Griechenland zuzubereiten, für Gleichberechtigung zu kämpfen, eine Hundeschule zu eröffnen oder eine Lösung für den Pflegenotstand zu finden. 

Wir können es uns als Menschheit schlichtweg nicht leisten, NICHT über unseren Sinn nachzudenken. Jede und jeder von uns. Uns rennt die Zeit davon, die Probleme werden mit jedem Tag größer. Jeder Tag, den wir in Lethargie, Angst oder Hass verleben ist ein verschenkter Tag. Jeder Tag an dem wir nicht tun, was uns glücklich macht und was anderen Menschen helfen kann, ist einer zu viel. 

Sich selbst als sinnvoll und selbstwirksam zu erleben ist das Beste das wir für unsere geistige und seelische Gesundheit tun können.