In der Szene der intellektuellen Influencer ist es gerade ganz besonders angesagt die Null Bock Attitüde zu propagieren (“Sinn des Lebens ist mir scheissegal, mir würde ein Grund morgens aufzustehen reichen” El HOTZO). Das Problem dabei ist, dass der Influencer damit Kohle verdient, seine Marke schärft und wahrscheinlich grad an einem Bestseller arbeitet.
Die Follower dagegen bleiben tatsächlich auf ihrem Arsch sitzen, sind unglücklich und pleite, wissen nicht warum und finden sich mit ihrem Bandscheibenvorfall auch noch easy peasy lemon squeezy.
Ich liebe rumhängen, Aperol Spritz in der 16-Uhr-Sonne und Serien gucken. Aber ich liebe es auch viel zu schaffen, To-Do-Listen abzuarbeiten, ich bin scharf auf das Gefühl wenn ich den Umschlag mit den Steuerunterlagen mal pünktlich abgeschickt und bei all dem auch noch Vitamine zu mir genommen habe. Wenn ich jemandem geholfen habe, jemanden angelächelt, wenn ich mich lebendig fühle während ich Kacksachen zu erledigen haben, weil ich weiß, wofür ich es tue.
Ich finde es geil, jede Woche ein Buch zu lesen, zu meditieren und begeistert aufzustehen, weil ich mich auf meinen Tag freue. Das ist aber 1. kein angesagter Tweet und 2. klingt das als sei man “ein Coach”, was in der intellektuell ironischen Szene so ziemlich das schlimmste Schimpfwort ist, das man sich vorstellen kann.
Ich designe mein Leben und kann mir nichts besseres vorstellen.
In Folge 22 von “Kopf über Herz – der wissenschaftliche Beziehungsratgeber” bei Audible spreche ich mit Sebastian Kernbach, er hat positive Psychologie studiert und arbeitet an der Universität St Gallen als Life Designer. Er hat außerdem das Buch geschrieben: “Life Design Mit Design Thinking, positiver Psychologie und Life Loops mehr von sich in das eigene Leben bringen.”
Life Design klingt ein bißchen wie nice to have, aber zu teuer, wie ein Eames-Stuhl oder nach einem 30-Tage-Drill-Programm mit Smoothies, Schmerz und 5 Uhr-Jogging-Termin.
Sebastian hat mir aber erklärt, dass Life Design bedeutet, dass man erst mal das Problem findet. War das Problem, dass mein Akku leer war oder war das Problem, dass ich zu spät losgelaufen bin? Wahrscheinlich ist das Problem, dass ich ständig in Gedanken bin und deswegen zu spät und ohne Akku loslaufe. Das Ladegerät kann das Problem der Zerstreutheit aber nicht lösen, dafür vielleicht Meditation, Fokussierung und Organisation. Aber da muß man erstmal drauf kommen.
Sebastian hat mir im Podcast eine Geschichte von einem Mann erzählt, der irgendwie unzufrieden war, er dachte, es läge am Job. Mit Life Design, den richtigen Tools und Fragen sind sie dann aber drauf gekommen, dass das eigentliche Problem das stundenlange Pendeln ist. Er hat sich daran erinnert, dass er früher gerne Electro Tunes gemacht hat. Mit einem neuen IPad, der passenden App und einem guten Kopfhörer ist der Zug jetzt zu seinem Musikstudio geworden, der Job war sowieso nie das Problem. Ihm gehts wesentlich besser, er fühlt sich lebendiger und hat mehr Spaß am Leben. Bäm, Life Design.
Es geht darum, wieder zu spielen, sich Zeit für seine Träume zu nehmen, zu machen, was einem Spaß macht, sich selbst zu entdecken und die Tür für Begeisterung zu öffnen.
“Dafür habe ich keine Zeit!” Wir alle haben für die Dinge genau so viel Zeit, wie wir uns nehmen.
Es passiert übrigens auch immer genauso viel, wie in eine Zeitung passt. Merkste selber, wa?
Es liegt an uns, womit wir unsere Zeit verbringen. Wir haben alle 24 Stunden pro Tag. Die durchschnittliche Fernsehdauer in Deutschland liegt bei 220 Minuten pro Tag. Ich sag nur.
Im Buch Life Design sind tolle Übungen, Spiele und Denkanstöße drin, die uns dabei helfen, unser Leben schöner und aufregender zu gestalten.
Eine Übung ist zum Beispiel, sich selbst auf dem Cover eines Magazins zu sehen. Welches Magazin wäre es? “Angler & Fische”? Oder die Vouge, die Bäckerblume oder Businesspunk? Was steht drauf? Warum sind wir auf dem Cover, was haben wir getan, um es drauf zu schaffen? Was habe ich gelernt, dass ich jetzt ein leuchtendes Vorbild bin und welche Fragen werden mir im Interview gestellt, das im Magazin ist? Danach kann man es tatsächlich selbst gestalten, mit Stiften und Papier oder am Computer.
Das bringt uns uns selbst näher und hilft uns dabei zu entdecken, wer wir eigentlich sein wollen.
Ich habe solche Spielchen schon gemacht, bevor ich das Wort “Life Design” überhaupt kannte. Im Tagebuch zum Beispiel Fragen beantworten wie:
- Wer sind meine Vorbilder und warum? Was haben/können/verkörpern sie, dass ich auch haben/können oder verkörpern will?
- Welches sind meine Lieblingsgefühle und was kann ich jeden Tag tun, um sie zu fühlen?
- Nach welchen Werten will ich leben?
Im Podcast “Achtsam” von Deutschlandfunk Nova spreche ich mit der Psychologin Main Huong Nguyen darüber, dass Werte uns sogar dabei helfen geistig gesünder durch die Corona-Zeit zu kommen. Main Huong hat dazu eine Studie gefunden, die sie uns in dieser Folge mitgebracht hat.
Diese Woche habe ich mir zum Beispiel vorgenommen, trotz Homeschooling, kochen, Job, putzen und Kinder versorgen, gesünder zu essen. Ich habe mir aus Spaß die Challenge ausgedacht, jeden Tag mein Frühstück zu fotografieren, um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann. Normalerweise esse ich irgendwas, nebenbei und rede mir ein, dass ich ja keine Zeit habe richtig zu essen blablabla. Aber weil ich nicht gegen mich selbst verlieren wollte (wie lame wäre das bitte?!) habe ich extra neue Gewürze gekauft, um sie über Avocado und Tomate zu streuen und Sesam für die Obst-Bowl. Wär ich sonst nicht drauf gekommen.
Spielen macht das Leben bunter, aufregender, lustiger, lebendiger.
Wie ihr selbst Beständigkeit, Glaube und vor allem Hoffnung für euch kreieren könnt erfahrt ihr hier.
Hier die Inspiration zum spielen: