Was macht Lebensqualität aus? Wie möchten wir das Leben gestalten?
Diese Fragen stellt Gina Schöler, sie ist Glücksministerin. Weil sie sich selbst dazu gemacht hat. Ihre Mission ist es, Antworten auf diese und andere Fragen zu finden. Zusammen mit so vielen Menschen wie möglich, also euch, uns, allen. Und da wir von LifeXLab das Gleiche tun, hab ich sie einfach angerufen und gefragt, was ein Ministerium für Glück eigentlich macht.
Hi, Gina, Was macht eine Glücksministerin eigentlich den ganzen Tag?
Mit am wichtigsten ist es mir mit dem Ministerium ein Impulsgeber zu sein und so kreativ, unkonventionell und bunt auf Themen wie Glück, positive Lebensgestaltung und Wohlbefinden hinzuweisen. Die Menschen sollen so zum Mitmachen ermutigt werden, selbst aktiv und ganz nebenbei zum Multiplikator des Glücks werden.
Oft reicht schon ein kleiner Anstoß, eine Inspiration, eine Idee, um das Glück besser zum Vorschein zu bringen und vor allem die Angst zu nehmen, dass es ein unerreichbares Ziel zu sein scheint. Es sind die kleinen Dinge und Momente, die helfen, das Gute in das Leben einzuladen und zu verbreiten.
Die Impulse und Angebote finden auf ganz vielfältige Weisen statt: mit frei zugänglichem Material; interaktiven Impulsvorträgen bei Unternehmen und Organisationen; mit Kolumnen oder Interviews im Funk und Fernsehen oder natürlich über Instagram, Facebook und LinkedIn; im Rahmen meines Podcasts “Das kleine Glück” oder auch mit Büchern, wie “Das kleine Glück möchte abgeholt werden” oder “Glück doch mal!”.
Für Unternehmen habe ich mit meinem Team auch schon ganze Glücks-Wochen konzipiert. Verschiedene Impulse verteilt auf mehrere Tage oder Wochen, die den Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden.
Was treibt dich an? Wie kam es dazu, dass Du dich auf die Suche nach dem Glück gemacht hast?
Das Ministerium ist aus einer Semesteraufgabe während meines Masterstudiums an der Hochschule Mannheim heraus entstanden. Dabei ging es darum, eine Kampagne zu skizzieren, die in der Gesellschaft einen Wertewandel initiiert, gestaltet und begleitet. In der Ideenfindung kamen wir auf Bhutan. Eines von wenigen Ländern, die ein nicht wachstumsorientiertes Wirtschaftsmodell haben, sondern die Zufriedenheit der Bevölkerung als Maß politischen Handelns sieht. Dann haben wir uns natürlich auch gefragt: Wieso gibt es das hier noch nicht? Warum zählen hier ganz andere Dinge wie Leistung, Erfolg, materieller Wohlstand und Wachstum? Sind nicht eigentlich ganz andere Dinge wichtig? Warum wird „Wohlstand“ nicht am Wohlbefinden der Bevölkerung gemessen? Und wer ist für unser Wohlbefinden verantwortlich? So entstand die provokative Metapher des „Ministeriums“, anhand der die Frage nach dem Glück und dem guten Leben gestellt und zu einem zivilgesellschaftlichen Diskurs angeregt wird.
Durch den offiziell anmutenden Namen zieht das Ministerium für Glück und Wohlbefinden seit jeher sowohl in der Bevölkerung als auch medial große Aufmerksamkeit auf sich.Auch die Regierung wurde auf das Projekt aufmerksam und so durfte ich an der Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland“ mitwirken. 2019 wurde ich zum internationalen Kongress der OECD nach Paris eingeladen, um dort mit vielen Vertretern über Glück und Wohlbefinden als politisches Ziel zu diskutieren.
Mein emotionaler Antreiber ist die spannende Mischung aus Sinnhaftigkeit und Spaß – ich kann meiner Kreativität freien Lauf lassen, wie und auf welchen Kanälen ich “Werbung für Werte” machen kann und die tausenden E-Mails, Nachrichten, Kommentare und persönlichen Begegnungen mit emotionalen Geschichten, Anekdoten und Danksagungen bestätigen mir, dass das, was wir tun, sehr positive Nebenwirkungen hat – und das tut unglaublich gut, gibt Kraft und macht glücklich!
Warum sagst Du: glücklichsein ist wichtig? Reicht nicht einfach zufrieden oder nicht unglücklich?
Glück und Zufriedenheit gehen für mich Hand in Hand. Wer zufrieden und optimistisch auf das eigene Leben blickt, kann besser mit Herausforderungen umgehen, ist stressresistenter, lebt gesünder und daher auch länger. Glück und Lebenszufriedenheit wirkt also als gesundheitliches Schutzschild – sowohl physisch als auch psychisch.
Glück ist so individuell wie wir Menschen. Ich möchte kein pauschales Glücksrezept herausgeben, sondern vielmehr dahingehend motivieren, selbst zum/zur Chefkoch/-köchin zu werden! Genau darum geht es unter anderem beim Ministerium – wie kann ich den Blick auf das Positive stärken und ganz konkret mein Glück selbst in die Hand nehmen?
Dazu ist es auch wichtig zu sagen, dass glücklich sein nicht automatisch bedeutet, dauerhaft gute Laune zu haben und nur mit der rosaroten Brille durchs Leben zu laufen. Zum Leben gehören schlechte Tage, traurige Momente und auch mal negative Stimmung auch dazu – alles andere zu erwarten wäre unrealistisch. Das bedeutet aber nicht, dass man dadurch insgesamt weniger glücklich ist. Wichtig ist es, mit den Gefühlen gut umgehen zu können und die Hoffnung nicht zu verlieren. Einmal allen Frust rauszulassen kann sehr erleichternd sein und auch gut tun.
Hat sich deine Arbeit in der Corona-Zeit inhaltlich geändert?
Inhaltlich hat sich wenig geändert, die Themen Glück und Wohlbefinden sind aber durch die herausfordernde und belastende Situation bei vielen noch mehr in den Fokus gerückt. Unsere Lebensweise hat sich im letzten Jahr radikal geändert, das bringt Unsicherheit und Unbehagen mit sich. Hier spielen natürlich viele Faktoren eine Rolle – es gibt gerade unglaublich viel auszuhalten. Es ist also wichtiger denn je, auf sich selbst, das eigene Wohlbefinden, aber auch auf die Gesundheit der Menschen um uns herum zu achten.
Mein Team und ich beobachten das sogar teilweise an uns selbst – obwohl wir sehr achtsam aufpassen, dass es uns und unserer seelischen Gesundheit gut geht: Auch wir erleben zur Zeit häufiger Erschöpfung, Unruhe, Lustlosigkeit und sogar ab und zu eine Art “Einigeln”. All das können Anzeichen sein, dass man ganz besonders aufpassen sollte und die Lage und ihre Folgen ernst nimmt.
Hast Du auch das Gefühl, dass sich gerade ganz viel tut: Menschen fragen sich: was kann ich, trotz der Umstände tun, damit es mir gut geht?
Mein Team und ich haben eine ganze Sammlung an Glücksgaranten, die uns schnell dabei helfen, die Laune zu steigern. Einer unserer Lieblings-Tipps ist beispielsweise zwischen Arbeit und Alltag einfach mal zu lauter Musik zu tanzen. Sowohl die Musik als auch die Bewegung lassen uns direkt besser fühlen. Wir bekommen den Kopf für einen Moment frei, kommen aus dem Sitzen in Aktion und machen die Bahn frei für die Glücksgefühle. Glücklich machen kann grundsätzlich vieles, wie etwa ein bewusster Spaziergang durch den Wald, eine lange warme Dusche oder auch ein Bad, der Geruch von Kaffee am Morgen oder ein frisch aufgebrühter Tee, das selbstgekochte Abendessen oder die bestellte Pizza, der Sport nach dem Feierabend oder auch das Nickerchen zwischendurch.
Was uns glücklich macht, ist sehr individuell. Wichtig ist daher gerade in sich hineinzufühlen und zu erkennen: Was tut mir gut? Was kann ich aktiv ändern, um glücklich zu sein? Und diese Antworten aktiv in den Alltag einzubringen – anstatt To-Dos mehr von den Ta-Daaas, die das Leben lebenswert und schön machen, wie ich gerne sage. Denn wir sind alle Menschen und keine Maschinen.
Was können wir selbst tun, damit es uns gut geht?
Glück findet man in diesen außergewöhnlichen Zeiten in sich selbst, in dem was wir aktiv ändern können und vor allem auch im Alltäglichen. Es lohnt sich zurzeit genauer hinzuschauen, denn es ist uns oftmals nicht so richtig bewusst, wie viel Gutes tagtäglich passiert. Ich habe daher eine Faustregel entwickelt, um sich das Glück aktiv in den Alltag zu holen. Das klappt auch in den aktuellen Zeiten! Der Daumen steht für Dankbarkeit, der Zeigefinger für Zeit, der Mittelfinger für das Miteinander, der Ringfinger für Reflexion und der kleine Finger für Komik – denn nichts entspannt die aktuelle Lage mehr als einfach mal von Herzen zu lachen.
Dankbarkeit
Durch bewusste Dankbarkeit rücken wir unseren Fokus auf das Gute und Gelingende, das uns in dieser aktuellen Zeit über Wasser hält. In praktizierter Dankbarkeit findet sich Glück. Dankbarkeit kann hierbei auch geübt werden, indem wir uns beispielsweise vornehmen öfters niederzuschreiben, wofür wir dankbar sind; kommunizieren, dass wir dankbar sind oder es gar festhalten und visualisieren, wofür wir alles dankbar sein können: die eigene Gesundheit, Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, einen guten Job. Es können manchmal auch ganz einfache Dinge sein, die wir sonst als selbstverständlich ansehen.
Zeit
Wir haben aktuell so viel Zeit, weil das soziale und gesellschaftliche Leben total eingeschränkt ist. Diese Zeit sollten wir auch dazu nutzen, um uns um uns selbst zu kümmern. Wir brauchen Zeit für Selbstfürsorge, Zeit in Form von Pausen und Zeit für ein bewusstes Durchatmen und Abstand bekommen von all dem, was gerade passiert. Dabei kann beispielsweise helfen zu meditieren oder ohne Zwänge einfach tief durchzuatmen und langsamer machen, wenn alles mal wieder zuviel wird. Wir brauchen gerade für alltägliche Aufgaben manchmal länger, weil wir generell (emotional) erschöpft sind. Das zu verstehen und sich trotzdem zu entspannen, trägt zum eigenen Wohlbefinden bei.
Miteinander
Ein gesundes soziales Netzwerk ist laut der Glücksforschung der wichtigste äußere Faktor für seelisches Wohlbefinden. Wir finden das Glück also im empathischen Umgang mit anderen und in gelingenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Durch aufrichtiges Nachfragen, aufmerksames Zuhören, Mitfühlen und Austauschen, oder auch einfach Dasein. Wenn wir mehr Geduld und Verständnis für uns und andere aufwenden, ist das Glück oftmals nicht fern. Bemühen wir uns darüber hinaus uns selbst und anderen öfters etwas Gutes zu tun, auch mal selbst die Initiative zu ergreifen, um weiterhin miteinander verbunden zu bleiben, können wir auch aktuell Glücksmomente haben.
Reflexion
Sich zu reflektieren und abzugleichen, was einen glücklich macht, was alles gut läuft und wofür es sich weiterhin lohnt jeden Tag aufzustehen, kann ein echter Meilenstein für das eigene Glücksempfinden sein. Durch einen zusätzlich achtsamen Umgang mit uns und unseren Gefühlen wie auch unseren Bedürfnissen, werden wir gelassener, erfahren öfter positive Emotionen wie Dankbarkeit und Freude und werden dadurch automatisch offener und nachsichtiger mit unserem Gegenüber – sei das der/die Partner*in, Freund*innen oder jemand, den man beim Einkaufen trifft. Das kann man auch üben, indem man beispielsweise niederschreibt oder visualisiert, was einen glücklich macht.
Komik
Auch wenn die aktuelle Situation absolut nicht zum Lachen ist, so können Lachen und Humor dabei helfen, Stress zu reduzieren und ausgeglichener durch die Welt zu gehen. Komik findet sich in vielem, vor allem rückblickend betrachtet. Neulich hat eine Freundin erzählt, dass sie auf einer Beerdigung so geweint hat, dass ihre Maske um die Nase aussah wie eine Clownsnase. Der Hinweis des Gegenübers, wie sie eigentlich aussehe, hat sie völlig aus der Bahn geworfen und so sehr zum Lachen gebracht, dass sie für einen kurzen Moment glatt vergessen hat, warum sie überhaupt weinte. Der Moment bringt sie noch heute zum Schmunzeln, obwohl an der gesamten Situation absolut nichts witzig war. Humor und Komik helfen, dem Ernst des Lebens nicht zu erliegen, sondern es ein bisschen leichter zu nehmen.
Im Gesamten finden wir durch das Berücksichtigen der einzelnen Dimensionen der Faustregel Zugang zum eigenen Glück, zum glücklichen Miteinander und Glück in der Gesellschaft.
Was macht Dich glücklich?
Glück ist für mich Verbundenheit: Mit sich selbst, den Mitmenschen und der Umwelt. Das bedeutet Selbstfürsorge, Gemeinschaft und Achtsamkeit – wichtige Bausteine für das Glück. Glück besteht für mich auch darin, Veränderungen anzunehmen und im Positiven für sich zu nutzen. Dies bedeutet auch, Chancen zu erkennen und mutig genug zu sein, sie wahrzunehmen.
Generell liebe ich es, die kleinen Minimomente des Alltags zu gestalten und zu genießen. Ein kleiner Plausch am Straßenrand, ein herzliches Dankeschön, das Staunen über ein Gänseblümchen oder eine lange Tafel mit Freunden – Glück hat so viele Facetten und ich finde es sehr spannend, immer wieder neue zu entdecken.
Wenn du wissen möchtest, wie wir unser Leben selbst designen können, kannst du direkt hier weiterlesen!