Warum Tantra glücklich macht

Ein Gastbeitrag zu Tantra von Schauspielerin Laura Schwickerath

Ich könnte hier Abhandlungen schreiben über die altindische Philosophie des Tantra. Über Osho, Energiebahnen, Ganzkörperorgasmen, Atmen, Ekstase. Doch ich möchte von mir sprechen. Davon, was Tantra für mich bedeutet und was es in mir bewegt hat. Und warum es mir dazu verholfen hat, zu dem glücklichen Menschen zu wachsen, der ich heute bin.
Zum Tantra kam ich, weil ich es wagte, mich nackig zu machen. Frisch getrennt, frisch alleinerziehend und frisch in einer neuen Stadt wollte ich mir beweisen, dass ich noch fuckable bin. Tinder, OkCupid, Parship… ich war auf allen Plattformen unterwegs und swipte und tippte eifrig in den wenigen Stunden, die meine einjährige Tochter mir während ihres Mittagsschlafes ließ. 

Die Philosophie des Tantra
photo@Katja Kuhl 2020


Nach einer schmerzhaften Trennung und den damit verbundenen Ängsten als alleinerziehende Mutter einsam, überfordert und frustriert zu verschrumpeln – ja, das war tatsächlich meine Sorge – schaufelte ich mich mit Dates zu, um mir zu beweisen, dass all das nicht eintreten würde. Sobald meine Tochter abends schlief kam die Babysitterin und ich zog los. Und schaffte es innerhalb von zwei Wochen fünf sehr sympathische unverbindliche PartnerInnen zu akquirieren. Sprich: ich hatte sehr viel Sex. Mit wirklich schönen Menschen. Und ich hatte Spaß!

Ich hielt mich für sehr fuckable und ziemlich unbesiegbar. Doch in mir war auch eine Leere, die ich nicht greifen konnte.

Laura

Und trotz all dieser Abenteuer und Schmetterlingen im Bauch, kam ich nicht ein einziges Mal zum Orgasmus. Das war mir neu und es erschreckte mich. Ich öffnete mich einer Freundin mit meiner Sorge. Sie lächelte. Es wundere sie nicht, sei doch die Sexualität ein Spiegel unserer Seele. Und bei mir wirble gerade so Einiges durcheinander. Ich konnte nicht widersprechen. 
Sie schickte mich zu einem Tantra Abend für Frauen. Und als ich dort saß und lauschte, wurde mir erschreckend bewusst, dass ich mich noch nie so direkt mit meiner Sexualität beschäftigt hatte. Ich hatte Sex und meistens Spaß dabei, aber meine Yoni (Sanskrit für die weiblichen Genitalien) im Spiegel anschauen und sie morgens liebevoll begrüßen? Selbstlieberituale bei Kerzenschein und Musik? Sich für Sex mindestens zwei Stunden Zeit nehmen? Ich fühlte mich plötzlich wieder wie eine Teenagerin, die das erste Mal Sexualkunde hat. Aber in liebevoll.

Es berührte mich, wie die Seminarleiterin über ihren Körper und ihre Lust sprach, davon, dass es darum ginge, die Liebe zu sich zu entdecken, sich wirklich wahrzunehmen und klar für sich und die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Hatte ich das in der Vergangenheit getan? Für mich und meine Bedürfnisse eingestanden? Wie oft hatte ich innerlich den Gedanken gehabt, dass ich eigentlich lieber schmusen würde, als zu fummeln. Wie oft hatte ich mir Druck gemacht, sexy auszusehen, Lust zu machen, zu gefallen? Im Tantra schien all das keinen Platz zu haben. Ich war neugierig und verwirrt, spürte, dass dies Neuland für mich war, das mich anzog. Also besuchte ich den einwöchigen Tantra Grundkurs von Ananda Wave unter der Leitung von Michaela Riedl. Das war 2016. Ich verließ nach dieser Woche das Seminar mit den Worten: „Ich werde mich nie wieder fragen, ob ich liebenswert bin.“ Ich habe es mich nie wieder gefragt. 

Was diese Woche in mir bewegte ermangelt an Worten, um es zu beschreiben. In mir wurde eine Kraft wach, eine Liebe für mich selbst, die mich regelrecht umhaute. Sie brachte mich mit den Füßen auf den Boden und hob mich gleichzeitig in schwindelerregende Höhen. In mir öffnete sich ein Raum, so hell, so weich, so stark, ich hatte das Gefühl ich schwebe frei im Licht dieses unendlich wundervollen Universums. Ich weiss, dass das esoterisch klingt. Und doch fühlte es sich genau so an. Tantra ist Liebe. Und Tantra ist Bewusstsein. Osho benennt es so treffend in seinem Buch „Tantra Energie und Ekstase“: …“das Versprechen, das Tantra gibt: Die Wahrheit befreit. Wissen befreit. Wissen ist Freiheit.“
Nun kommt vielleicht die Frage auf, was Tantra mit Wahrheit zu tun hat und warum dies wiederum mit Liebe und Freiheit zu tun hat. Und inwiefern ist das nun Alles mit Sexualität verbunden?

Tantra ist vor allem eine Lebensphilosophie. Und für mich ist sie die Essenz der authentischen Liebe zu sich – und zu Anderen.

Laura

Im Tantra gibt es für mich keine Ziele, kein Richtig und Falsch, keine Regeln. Im Tantra gibt es nur den Moment und die Wahrheit. Und die Aufforderung, damit sichtbar zu werden. Im Tantra lernte ich, mir all meine Gefühle zu erlauben und sie nicht in Frage zu stellen. Ich lernte in jedem Moment liebevoll mit mir zu sein und dadurch sehr klar in meiner Kommunikation zu meinem Gegenüber. Ich lernte, meinen Körper zu lieben und für ihn einzustehen. Ich lernte Freude an und mit mir zu haben. Tantra ist mehr als eine Art, intim zu sein. Es ist eine Lebenseinstellung, ein holistischer Ansatz, der dich im Ganzen begreift. Heute sage ich oft Nein zu meinem Gegenüber, um Ja zu mir zu sagen. Ich zeige mich mit meiner Wahrheit. Und das öffnet einen Vertrauensraum, in dem wahre Intimität möglich wird. Nicht nur im Bezug auf Sexualität, sondern in allen Lebensbereichen. Und was den Sex angeht: heute habe ich viel weniger Sex. Dafür lebe ich meine Sexualität mit so viel Bewusstheit und Liebe, es wirkt wie ein energetisierender Zaubertrunk. Und ja, ich habe Ganzkörperorgasmen, ekstatische Zustände, spüre wie das Chi durch meine Energiebahnen fliesst, atme mich in berauschende Sphären. Aber nicht, weil ich die tantrischen Massagegriffe kenne, mich in der Theorie dieser Liebeskunst belesen habe. Sondern weil ich mich nackig mache mit meiner Wahrheit – und mich dafür liebe. 

Sich selbst zu lieben und zu umsorgen ist ein wichtiger Teil des Tantra, um diese Schritte besser zu verstehen, lest hier nach.

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Diane Hielscher

Journalistin, Künstlerin, Autorin und Moderatorin