Viele Menschen stellen dieser Tage ChatGPT Fragen und sind dann nicht zufrieden mit den Antworten oder dem Text, den die künstliche Intelligenz ausspuckt. Noch frustrierender sind die Versuche mit Text to Image-Softwareprogrammen. Dort können wir mit einem von uns formulierten Text Fotos oder Illustrationen generieren. Ich wollte eine Illustration von Kindern, die meditieren, in einem verspielten Stil, mit hellen, freundlichen Farben haben. Ich schrieb: “Kinder meditieren. Illustration.” Das Bild, das mir die KI ausgespuckt hat, zeigte ein schlecht gelauntes Kind mit zufälligen Mustern in komischen Farben.

“Na gut, funktioniert wohl noch nicht so gut!” dachte ich und legte das Projekt gedanklich ad acta. Kurz danach traf ich mich mit einer Freundin, die mir von ihren Beziehungsproblemen berichtete: “Er versteht mich einfach nicht!” Plötzlich war mir klar, dass auch die KI mich einfach nicht verstanden hatte, ich hatte mich nicht präzise genug ausgedrückt! Ich hatte ein bestimmtes Bild im Kopf, das ich mir von der KI gewünscht hatte, aber ich hatte es so nicht geschrieben, sondern stattdessen einfach angenommen, sie wüsste schon, was ich meine. Und genau das tun wir auch in unseren Beziehungen. Wir haben ein diffuses Bild davon im Kopf, wie unsere Beziehung aussehen soll und gehen davon aus, dass der Andere entweder das exakt gleiche Bild einer Beziehung im Kopf hat oder eben schon weiß, was ich meine. Dabei kann eine gute Beziehung etwas komplett anderes für jeden bedeuten. Der eine wünscht sich vielleicht einfach ein Leben mit vielen Annehmlichkeiten und Ruhe und der Andere will tiefe Gespräche über das Menschsein, auch wenn es mal um unangenehme Themen geht. Beide wollen eine auf ihre Art “gute Beziehung” führen. 

Für einen bedeutet es, ein guter Elternteil zu sein, wenn man seinen Kindern alle Steine aus dem Weg räumt und der nächste will, dass der Nachwuchs seine Probleme selbst lösen lernt. Beide haben aber das gleiche Ziel: gute Eltern sein. Wenn wir allerdings nicht präzise formulieren, was unsere Bedürfnisse sind und wie wir sie verwirklichen wollen, hat das Gegenüber keine Chance. 

Wir interpretieren die Welt unterschiedlich, je nachdem, mit welchen Erfahrungen wir aufgewachsen sind. Denken wir, Menschen sind egoistisch und gemein oder haben wir erfahren, wie liebevoll und hilfsbereit Menschen sind? Was in unserer Kindheit hat wozu geführt? Je nachdem, in welcher Kultur wir groß geworden sind, in welcher Gesellschaft, sind andere Dinge wichtig für uns. Familienzusammenhalt oder Individualismus? Unterordnung oder Rebellion? Welche Werte in unserem Umfeld als wertvoll angesehen werden, ist völlig unterschiedlich. Sitten, Gebräuche, Glaubenssätze der Großeltern und Werte, die in Serien vermittelt werden, prägen uns genauso wie unsere Freunde, Bekannte oder Kolleginnen. 

Aus der Netzwerkforschung wissen wir mittlerweile, dass Glück ansteckend ist, gesunder Lebensstil, Übergewicht und Hoffnung. Eine Studie aus dem Jahr 2000 belegt das. Das Autorenteam Christakis und Fowler schreibt in seinem Buch “Die Macht sozialer Netzwerke” dazu: Eine mathematische Auswertung ergab, dass Personen mit einer direkten Beziehung zu einem glücklichen Menschen selbst um durchschnittlich 15 Prozent glücklicher sind. (…) Im Fall einer indirekten Beziehung um zwei Ecken beträgt der Unterschied noch 10 Prozent. (…) Das Erstaunlichste ist, dass selbst drei Schritte entfernte Menschen, denen wir möglicherweise noch nie begegnet sind, einen größeren Einfluss auf unser persönliches Glücksempfinden haben als ein zusätzliches Bündel Geldscheine in der Tasche.” 

Wir sind also unfassbar vielen unterschiedlichen Einflüssen, Gedanken und Meinungen ausgesetzt, gehen aber meist – unbewusst – davon aus, dass der Gesprächspartner exakt die gleichen Prägungen, Meinungen, Weltbilder und Glaubenssätze hat und deswegen ja eben genau wissen müsse, was man selbst meint. 

Aber was bedeutet denn beispielsweise “Ich wünsche mir mehr Nähe in unserer Beziehung!”? 

Was bedeutet Nähe für mich überhaupt? Wie glaube ich, Nähe herstellen zu können? Was ist das Gegenteil von Nähe, Gleichgültigkeit? Was könnte ich selbst tun, um Nähe herzustellen? Was würde ich mir eigentlich von meiner Partnerin wünschen? Was lässt mich überhaupt dem Anderen nah sein, was brauche ich, um Nähe zu spüren? 

Das ist Prompt Engineering, das Buzzword der Stunde, seit die Welt mir KI-Software geflutet wird. Bei Prompt Engineering geht es darum, zu lernen, was wir eingeben müssen, um von der KI genau das Ergebnis zu bekommen, das uns zufrieden stellt. Denn die KI kann (noch!) nicht in unseren Kopf gucken, sie kann nicht wissen, was genau wir wollen, wenn wir nicht lernen, es ihr präzise zu sagen. 

Mittlerweile kursieren bereits gute Beispiele im Netz, in denen wir den eingegebenen Text und das dadurch generierte Bild sehen. 

Je besser die Worte, die wir benutzen, desto besser das Ergebnis. Und exakt so können wir auch unsere Kommunikation gestalten, am Arbeitsplatz und privat.

Kleinkindern fehlt oft die Fähigkeit, sich adäquat auszudrücken, sie weinen dann oder werfen sich auf den Boden, weil sie sich nicht verständlich machen können, ihnen fehlen einfach noch die Worte. Mein Sohn hatte als er zwei war viele Wutanfälle, weil ich einfach nicht wusste, was er meint. Tränen der Frustration liefen dem kleinen Knopf übers Gesicht und ich war völlig hilflos. Aber im Erwachsenenalter verlieren wir offenbar die Sensibilität für die Fallstricke der Kommunikation. Denn nur weil unser Wortschatz größer ist als der eines Zweijährigen, können wir trotzdem nicht davon ausgehen, dass unser Gesprächspartner wirklich verstanden hat, was wir meinen. Prompt Engineering kann uns ebenso in der 3D-Welt helfen wie in der virtuellen. 

Dazu gehört natürlich zuerst die Selbstreflektion: Was will ich eigentlich für eine Beziehung? Was ist mir wichtig? Wie will ich mich in einer Beziehung fühlen? Was kann ich jeden Tag tun, um diese Beziehung so zu gestalten, wie sie mir gut tut? Oder eben auch: Was ist mein Ziel und wie kann diese Software mir dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen? Wie genau kann mir dieses Programm die Arbeit erleichtern und sie schneller machen? Was muss ich dafür lernen? Wir müssen uns zuerst bewusst werden, was unser Ziel ist, bevor wir loslaufen. Google Maps kann uns auch keine Route ausspucken, wenn wir kein Ziel eingeben. 

Kennen wir unser Ziel, können wir dann über den Weg dorthin nachdenken: Welche Formulierung hilft mir am besten, mein Bedürfnis auszudrücken? Mit welchen Worten kann ich am besten verständlich machen, was ich will? 

“Schreib eine Hausarbeit über die Mona Lisa!” wird genauso wenig zum Ziel führen wie “Unsere Beziehung ist so langweilig geworden!” 

Wie lang soll die Hausarbeit sein? Was ist das Erkenntnisinteresse? Welcher Aspekt soll beleuchtet werden? Welche Quellen werden benutzt? Soll zitiert werden? In welchem Stil soll geschrieben werden? 

Oder: Hast Du auch das Gefühl, dass wir jeden Tag das Gleiche tun? Woran könnte das liegen? Was bedeutet „langweilig“? Was war früher anders? Was kann ich tun, um das zu ändern? Was würde ich mir von meiner Partnerin wünschen? Wollen wir mal über unseren Sex sprechen? Welche Abenteuer würdest Du gerne noch im Leben erleben? Was ist aufregend für dich? Wollen wir in Schottland wandern gehen und kennst Du Tantra? 

Die Qualität Deiner Fragen bestimmt die Qualität Deines Lebens

Ich habe übrigens immer noch nicht genau das Foto generieren können, das in meinem Kopf ist, aber es ist ein Prozess. Wir lernen einfach etwas dazu, Prompt Engineering und mit den Menschen in unserem Leben zu kommunizieren. Es geht nicht um Perfektion, sondern um die richtigen Fragen, die wir uns auf unserer Reise stellen. Diese Aufgabe wird uns wahrscheinlich auch in Zukunft keine künstliche Intelligenz abnehmen können.