Kultiviertes Fleisch gegen Pandemien und Klimawandel
Fleisch aus dem Labor klingt erschreckend, aber es hat Vorteile, die ihr euch nicht erträumen könnt. Und doch hängen wir in Deutschland mit unserer Forschung weit zurück. Das ist Lisa Franke während ihrer Promotion in Lebensmitteltechnologie an der TU Berlin aufgefallen; und deshalb erzählt sie uns im Interview, wie wir sogar die Energiewende mit kultiviertem Fleisch vorantreiben können.
Um diesen köstlichen Begriff einmal zu entknoten: kultiviertes Fleisch ist im ersten Stadium eine Zellprobe eines Rinds, Huhns oder auch Fisches. Davon werden Stammzellen isoliert, welche dann so gemütlich wie möglich aufbewahrt werden – was das Bett für uns ist, ist der Bioreaktor für unsere Zellprobe. Darin herrschen 37 Grad, eine super Luftfeuchtigkeit, ein toller Druck, und ein pflanzlicher Nährboden (reich an Zucker, Proteinen, Aminosäuren…Hellofresh für eine Fleischprobe sozusagen). Alles was die Haut und die restlichen Organe für ein Rind oder Huhn so tun würden. Die isolierten Stammzellen aus der 0,5 Gramm Probe wachsen dann bis zu 12 Tonnen Fleisch heran. In anderen Worten: 80.000 Burger mit 150g Pattys.
Während ein Mastbulle erst einmal 18-20 Monate großgezogen werden muss; braucht unser Labor-Fleisch nur 3-8 Wochen, um abpackfertig zu werden.
Das Fleisch kann dann jede Form annehmen, die man möchte, durch Hilfe eines 3D Druckers. Aleph Farms Ltd. und Forschungspartner der Uni Israel haben ein Rib Eye Steak auf den Teller gedruckt, dass die Augen leuchten lässt.
Diese 3D-Bioprinting-Technologie verwendet lebende Zellen aus unserer 0,5 Gramm Probe und druckt diese in einer Form, die Fleisch sehr nah kommt. Wie in unserem eigenen Blutsystem. Damit sind die Zellen versorgt und können wachsen und sich differenzieren. So gut, dass das Steak in einer Konsistenz wachsen kann, die von einem gewöhnlichen Rindersteak nicht weit entfernt ist.
Die qualvollste aller Fragen ist natürlich die nach dem Geld! So viel Forschung und Aufwand muss ja bezahlt werden. Im Internet ist derzeit immer von einer 10€ Grenze die Rede – für einen Burger wohlgemerkt. Wie viel es anfangs im Supermarkt kosten wird, ist schwer zu sagen, da vor allem der Zulassungsprozess in Deutschland rund 2 Jahre dauert und in der Zeit noch einiges passieren kann.
Gehen die Forschungen weiter und zeigen wir Konsument*innen Interesse am Produkt, können wir einen sehr angemessenen Preis erwarten. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass es das erste kommerzielle kultivierte Fleisch bereits für 23$ (rund 20€) in Singapur gibt. 2013 wurde der erste Burger aus kultiviertem Rind für 250.000€ hergestellt.
Kritiker befürchten allerdings, dass für das Labor-Fleisch fötales Kälberserum als Nährmedium benötigt wird. Und das kann man nur gewinnen, indem man trächtige Kühe schlachtet, das Kalb aus dem Mutterleib entnimmt und ohne Betäubung (dann ist es ergiebiger) Blut aus dem Herzen des Kalbs entnimmt, bis es stirbt. Dafür gibt es rund einen halben Liter Serum, was auf dem Markt gute 200€ Wert ist. Mark Post, der Gründer von Mosa Meat (einer führenden Firma in Sachen kultiviertes Fleisch), sagte dem Technologiemagazin Wired, dass für einen Burger rund 50 Liter benötigt würden. Um das nun aufzuklären: ja, die ersten Chicken Nuggets in Singapur wurden so hergestellt, aber auch die – genauso wie alle anderen derzeitigen Unternehmen in dieser Branche – weichen auf eine pflanzenbasierte Alternative aus, die bereits existiert. Also nein, man braucht es nicht zwingend.
Die große nächste Frage ist dann die Energiegewinnung. Soll dieses Fleisch wirklich umweltfreundlicher sein, benötigen wir große Mengen erneuerbare Energien, denn die Bioreaktoren zu betreiben ist nicht gerade günstig. Aber genau solche Alternativen, die unseren Alltag betreffen geben Ansporn, uns weiterzuentwickeln. Auf erneuerbare Energien im Haushalt umsteigen, eine Wind- oder Solaranlage im Eigenheim betreiben oder im Büro dem Chef einfach vorschlagen Abfallprodukte in Biogas umzuwandeln.
So können wir 2050 die 10 Milliarden Menschen auf dem Planeten nicht ernähren. Es geht nicht mit diesem Flächenbedarf, nicht mit dem Wasserverbrauch und auch nicht mit den Folgen, die diese Treibhausgase für uns haben #isaberheißheute. Stellen wir also mal kurz komplett auf kultiviertes Fleisch um: Wir haben 95% des Platzes frei zur Verfügung auf denen gerade massig Tiere gehalten werden. 78% weniger Wasser würde verbraucht werden. Das sind pro Kilo Rinderfleisch 11.700 Liter, davon kann man beim deutschen pro Kopf Wasserverbrauch mehr als 90 Tage von leben. Und obendrauf werden 93% Feinstaubausstoß eingespart.
Wann ist es also soweit? Bis wir die Erderwärmung gestoppt haben, schwer zu sagen. Bis kultiviertes Fleisch zum Probieren in unseren Supermärkten liegt rund 2-3 Jahre. Lisa Franke stellte in ihrer Forschung fest, dass Deutschland leider ein wenig in der Forschung und besonders in der Aufklärung hinkt. Deshalb hat sie das Berlin Alt Protein Project gegründet, welches durch das Good Food Institute unterstützt wird. Bei diesem können interessierte Studierende Informationen einsehen, ihre Hilfe anbieten und es werden Workshops und Journalclubs organisiert, um dem Thema einen Raum zu geben. Dazu gibt es vom Gründerteam auch eine deutschlandweite Alternative: Cell Ag Deutschland stellt Informationen zu aktuellen Forschungsständen zur Verfügung und erklärt auch weiter, wie man selber helfen kann Teil der Lösung zu sein.g
Bis dahin sollten diese Unternehmen im Auge behalten werden:
Mosa Meat: eine niederländische Firma die sich auf kultiviertes Rinderfleisch konzentriert.
Upside Food und Just Eat: amerikanische Firmen die sich auf kultiviertes Hühnchen spezialisieren.
Aleph Farms: das israelische Unternehmen druckt ihr kultiviertes Rind in innovativer und realistischer Steak-Form.
Bluu Biosciences: eine lübecker Firma, und zwar die erste europäische, welche kultivierten Fisch herstellt.
Avant: die führende Firma in der Fischproduktion aus Hong Kong.
Supermeat: kultiviertes Hühnchen aus Israel mit deutscher Unterstützung von Wiesenhof.
Das sind nicht die einzigen Unternehmen, es kommen immer mehr Konkurrenten hinzu, die an die Idee glauben und den Markt Wettbewerbsfähig machen. Genau das ist es, was diese Revolution auch braucht, Investoren, die daran glauben und wenn ein Elon Musk bereits seit Jahren in die Forschung investiert, sollte man den Tipp vielleicht aufgreifen.
Es benötigt einfach mehr Aufklärung, was konventionelles Fleisch mit einem selbst oder in der Umwelt anrichten kann und wie kultiviertes Fleisch das lösen könnte. 2004 gab es zwar den Film „Supersize Me“ aber keine Alternative. Es sind genau solche Projekte wie „Cowspiracy“ oder „Seaspiracy“ die uns mit den Alternativen, die auf uns zukommen in die richtige Richtung leiten können.
Achja, wie kultiviertes Fleisch Pandemien bekämpfen kann: kultiviertes Fleisch wird unter so hohen hygienischen Standards produziert, dass keine Antibiotika in der Produktion verwendet werden müssen. In Zuchtställen, in denen mit Antibiotika gearbeitet wird, können sich dagegen resistente Keime bilden, die dann den Weg in unsere Supermärkte finden können. Demnach können bei kultiviertem Fleisch keine pandemiegefährlichen Bakterien entstehen und wir würden präventiv gegen eine weitere Pandemie vorgehen können.
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